Liebe Gemeinde,
Was geht uns in diesen Tagen nicht alles durch den Kopf? Bei mir ist es ein ständiges hin und her. Ich
bin zerrissen von den Gefühlen, die sich in mir breit machen: mal ist es Ratlosigkeit im Anbetracht der
Situation. Dann ist es Sprachlosigkeit. Dann wieder spüre ich Dankbarkeit. Manchmal kommt Wut auf.
Manchmal Angst. Ja und da ist auch noch die Einsamkeit, um nur einige zu nennen. Ich merke aber,
wie ich hin und her getrieben bin, gar nicht von allein aus mancher Schleife meiner Gedanken
komme.
Es ist manchmal gar nicht leicht, umzuschalten und sich von der Trauer zur Freude führen zu lassen.
Traurige Ereignisse bleiben lang im Gedächtnis – prägen uns Menschen. So ist es gut, wenn wir uns
manchmal von außen anregen lassen von der Freude. Viele sagen, so wird die Freude gar
tiefgründiger. Oft ist es dann auch gar kein an und aus oder schwarz oder weiß – es ist ein
Dazwischen. Manchmal merkt man nicht einmal, dass sich etwas verändert. Und so braucht es auch
Zeit, bis Jesu Freunde begreifen, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist, sondern lebt.
Wie lange es dauert, davon berichtet eine Osterzählung aus dem Lukasevangelium im 24. Kapitel.
Zwei Jünger sind auf dem Weg nach Emmaus. Tieftraurig sind sie. Sie können nicht deuten, was die
Frauen Ihnen erzählen: das Grab ist leer. Sie können nicht glauben, dass Jesus auferstanden sein soll.
Aber die beiden können auch nicht warten. So brechen sie auf. Der gleichmäßige Trott ihrer Schritte,
tut ihnen gut ihre Gedanken zu ordnen. Und irgendwann, so stelle ich es mir vor, als so
nebeneinander laufen, beginnen sie sich noch einmal zu erzählen, was in den letzten Tagen
geschehen war. Das hilft ja auch bei der Verarbeitung. Und während sie so reden, merken sie gar
nicht, wie ein dritter sich zu ihnen gesellt. Es ist der Auferstandene, doch in ihrer Trauer merken sie
dies nicht. Sie erzählen dem Fremden, von was und von wem sie reden. Erzählen, was geschehen ist.
Auch erzählen sie, was die Frauen ihnen sagten.
Es tut gut, sich jemandem anzuvertrauen. Zu gehen, zu erzählen – Abstand zu gewinnen von dem, wo
sie gerade noch mittendrin waren. So kann manchmal das Erlebte in einem anderen Licht erstrahlen.
Auch die Jünger sagen nach einer Weile einen bemerkenswerten Satz: „Musste nicht Christus dies
erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?!“
Am Ende wollen sie den Fremden nicht gehen lassen „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden und
der Tag hat sich geneiget.“ Sie spüren, wie wohl seine Gemeinschaft tut. Sie blühen förmlich auf. Und
so lässt der Fremde sich einladen. Aber wir merken: wer ist hier der Eingeladene? Der Dritte oder die
beiden Jünger? Als der Dritte mit ihnen das Brot bricht erkennen sie ihn. Nun begreifen sie den Sinn
des leeren Grabes. Nun können sie sich freuen ohne die dunkle Erinnerung zu verdrängen. Nun
können sie umkehren und den Weg zurückgehen. Nun können sie wieder den Ort betreten, von dem
sie eben noch geflohen sind. Am Ende dieses Weges zwischen Schwarz und weiß, an und aus, können
sie glauben und erkennen: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.“
Die Geschichte der Emmausjünger rührt mich immer wieder an und macht mir Hoffnung, dass mitten
im Dunkel sich etwas verändern kann, wenn ich mich darauf einlasse. Manchmal geschehen ganz
kleine Zeichen, so wie der Fremde, der sich einfach dazugesellt. In einem Lied heißt es „Gott kommt
manchmal ganz leise. Gott kommt manchmal ganz still. Kommt auf seine Weise, wann er kommen
will.“ Gott kommt manchmal anders. Ja – aber Gott kommt. Gott ist da. Das ist die Botschaft. Darauf
dürfen wir immer wieder vertrauen.
Beten Sie mit mir:
Gott, gestern noch waren wir vom Tod umfangen. Heute stehen wir mit Christus auf.
Gestern noch drückten uns die Sorgen nieder. Heute ist der Stein, der uns niederdrückt, weggewälzt.
Gestern noch schnürte uns Angst die Kehle zu. Heute singen wir dein Lob.
Gestern noch sagen wir keine Zukunft. Heute ahnen wir die Kraft deiner Liebe.
Heute, da wir das Leben neu geschenkt bekommen, durch Jesus Christus, deinen Sohn bitten wir
voller Vertrauen für die, die noch im Tod gefangen sind.
Lass es Ostern werden für alle, deren Leben durch Krankheit und Tod bedroht ist.
Lass es Ostern werden für alle, deren Leben durch Krieg oder Vertreibung bedroht ist.
Lass es Ostern werden für alle, die an Hunger und mangelndem Wasser leiden.
Lass es Ostern werden für alle, die mutlos, verzagt und traurig sind.
Lass es Ostern werden für alle, die nicht müde werden ihr Leben für das Leben von anderen
einzusetzen, die unermüdlich für das Leben anderer kämpfen.
Lass es Ostern werden für alle, die einsam sind und sich einsam fühlen in diesen besonderen Tagen.
Lass es Ostern werden. Heute. Für alle Menschen und an allen Orten deiner Erde.
Lass uns durch die Kraft der Auferstehung aufstehen für das Leben und uns einsetzen für Frieden und
Gerechtigkeit, für menschenwürdiges Leben und Sterben, für Mut und Freude.
Dir vertrauen wir uns an und beten mit den Worten, die du uns gelehrt hast: Vater unser im
Himmel….
Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Geht in diesem Wissen in die Osterzeit. So
segne und behüte uns Gott, der allmächtige und barmherzige, der Vater, der Sohn und der Heilige
Geist. Amen.
Seien Sie herzlich mit dem alten Ostergruß gegrüßt,
Ihre Annegret Lattke