Wie oft ist unser Leben gefangen von äußerlichen Dingen? Wie oft drehen wir uns um
uns selbst? Doch alles wird anders, wenn Christus mit und in uns lebt. Im
Johannesevangelium Kapitel 15 lesen wir: „Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater
der Weingärtner. Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen;
und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, daß sie mehr Frucht bringe. Ihr seid
schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in
euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am
Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock,
ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne
mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe
und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen brennen.
Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr
wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, daß ihr viel
Frucht bringt und werdet meine Jünger.“
Der Mai ist ein toller Monat. Wie sehr duftet der Fliederstrauch, wenn ich mit meinem
Hund daran vorbeigehe. So schneide ich mir manchmal einen Zweig ab. Doch dann sehe
ich, wie er nach Tagen schnell verwelkt. Der Zauber ist vorbei. Ich beobachte, dass der
Zweig in meiner Vase auch viel schneller verblüht als draußen am Strauch und Baum.
Denn mit dem Abschneiden setze ich etwas in Gang – etwas wird abgeschnitten. Der
Lebenssaft des Strauchs oder Baums kann nicht mehr in die Blüten strömen. Dieses Bild
gebraucht Jesus heute auch: im Evangelium vom Weinstock und seinen Reben. Jesus der
Weinstock – wir die Reben.
Und wenn ich im Bild bleibe, dann heißt dass, wenn ich vom Weinstock getrennt werde,
dann bringe ich keine Frucht, dann strömt mein Lebenssaft nicht mehr. Für uns Christen
ist es damit ein großes Ziel am Weinstock zu bleiben, immer wieder mit Lebenskraft
durchströmt zu werden und wenn es gut geht, dann können wir von unseren Früchten
auch weitergeben, dann können andere von diesem Lebenssaft, der Kraft die mein
Leben durchströmt etwas bekommen.
Doch manchmal, da fühle ich mich eher, als wäre ich eine Weintraube – der
Lebensstrom der Liebe Gottes ist für mich gefühlt unterbrochen. Manchmal fühle ich
mich auch den Stürmen des Lebens ausgesetzt. Auch das gehört zu Leben dazu. Und
wenn Sie einmal eine Rebe im Weinberg anschauen, gibt es zwischen den vielen reifen
Trauben auch immer wieder diese Verdorrten. Manchmal sieht man auch die Spuren,
die das Wetter hinterlässt. Ja, vielleicht gehört das zum Leben dazu – auch die
Durststrecken – aber sie sind es nicht allein. Sie sind umgeben von den reifen Früchten
die wachsen, wenn ich verbunden bleibe mit meinem Weinstock – meiner Kraftquelle –
Gott, mein ganzes Leben. Das heißt für mich auch, dass ich in den Tälern des Lebens
darauf vertraue und festhalte, dass ich dennoch eine Rebe am Weinstock bin, dass Gott
mich nicht fallen lässt.
Jesus sagt: „Bleibt in mir und ich in euch.“ So frage ich mich: Wie schaffen wir es immer
wieder an dieser Kraftquelle zu bleiben? Im Psalm 119, Vers 27 heißt es: „Lass mich den
Weg begreifen, den du mir zeigst, dann will ich nachsinnen über deine Wunder“. Gott
zeigt uns den Weg – führt uns darauf. So kann mein Vertrauen täglich wachsen, damit
ich mein Leben immer mehr erkenne als eine Schale, die Gott mir täglich aufs Neue füllt,
auch wenn dies gar nicht merke. Vertrauen Sie mit mir darauf! Amen.
Lassen Sie uns unsere Freude und unsere Sehnsucht vor Gott bringen.
Gott, du wurdest Mensch, wie wir: du kennst unsere Fragen. Hilf denen, die sich im Kreis
drehen und nirgends einen Ausweg finden: Schenke ihnen Gewissheit, dass in dir die
Antworten liegen.
Gott, du wurdest Mensch, wie wir: du kennst unsere Zweifel. Hilf denen, die so
enttäuscht wurden, dass sie nicht vertrauen können: Schenke ihnen sicheren Grund, auf
den sie bauen können.
Gott, du wurdest Mensch, wie wir: du kennst unsere Angst. Hilf denen, deren Leben von
Angst überschattet ist und sich nicht daraus befreien können: Schenke ihnen
Geborgenheit, dass sie ins Licht des Lebens treten können.
All unsere Gebete bringen wir vor dich und beten mit deinen Worten: Vaterunser im
Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im
Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern
erlöse uns von dem Bösen, denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in
Ewigkeit. Amen.
Gehen Sie in diesen Tag und in diese Woche mit dem Segen unseres Gottes: Der Herr
segne uns und behüte uns. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns
gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden. Amen.
Ihre Annegret Lattke